Wir alle kennen das: Menschen, die versuchen, es allen recht zu machen und dabei meistens noch nicht einmal besonders unglücklich wirken. Im Englischen hat sich dafür der Begriff ‚People Pleaser‘ eingebürgert.

Aber was genau ist damit eigentlich gemeint? Und warum ist das psychologisch betrachtet vermutlich ein Problem?

Zur Beantwortung dieser Fragen ist es wichtig zu verstehen, warum jemand eigentlich eine andere Person erfreuen oder ihr gefällig sein will. Also die Frage nach der Motivation.

Dabei fällt sofort auf, dass das Wort „Gefallen“ zwei wesentliche Bedeutungen bzw. Verwendungsformen hat – je nach Kontext:

  1. Einen Gefallen tun
  2. Jemand gefallen wollen

Und damit haben wir das potenzielle psychologische Problem auch schon direkt eingekreist. Wenn jemand anderen nur deshalb einen Gefallen tut, um ihnen zu gefallen, vernachlässigt – und im schlimmsten Falle ignoriert – diese Person ihre eigenen Bedürfnisse.

Dies kann insofern bis zur Selbstverleugnung gehen, als das viele Menschen, die man gemeinhin als ‚People Pleaser‘ bezeichnen könnte, das sich Kümmern um andere und das Eingehen und Erfüllen von deren Bedürfnissen als eine Art ‚Social Glue‘ oder ‚Beziehungskit‘ benutzen. Gleichzeitig meinen sie dabei unglaublich altruistisch zu handeln, indem sie die Bedürfnisse der anderen über ihre eignen Bedürfnisse stellen und sich ggf. für diese „aufopfern“.

Das ist allerdings dreifach toxisch:

  1. Diese Menschen glauben oft, dass sie nicht liebenswert sind, wenn sie sich nicht in den Dienst der anderen Stellen.
  2. Doch ihr Verhalten ist alles andere als altruistisch, weil es i.d.R. mit der Erwartungshaltung verbunden ist, eine Gegenleistung zu erhalten: Nämlich dafür geliebt bzw. gemocht zu werden.
  3. Wenn die erwartete Dankbarkeit ausbleibt, sind diese Menschen oft tief gekränkt und fühlen sich schnell als Opfer der vermeintlichen oder tatsächlichen Undankbarkeit der anderen.

Das Kümmern um die Bedürfnisse der anderen, stellt also eine Art selbstgewähltes, psychologisches Abhängigkeitsverhältnis dar, dessen Kern oft in der frühkindlichen Erfahrung begründet ist, nicht bedingungslos geliebt zu werden und einfach sein zu dürfen – sondern für die Liebe der anderen „etwas“ tun zu müssen („Ich kann Dich nur Lieben, wenn …“).

Fragt man diese Menschen nach „dem, was sie eigentlich wirklich wollen“, erhält man oft erst einmal keine Antwort. Sie haben verlernt, ihre eigenen Bedürfnisse überhaupt zu spüren, weil es in frühen Jahren „überlebenswichtig“ war, den Bedürfnissen der zentralen Personen im Beziehungsumfeld gerecht zu werden. Die Wirkung könnte man mit einer Traumatisierung vergleichen, bei der die eigenen Gefühle und Bedürfnisse abgespalten werden, da die Erfahrung „nicht einfach sein zu dürfen“ und „nicht um seiner/ihrer selbst wegen geliebt zu werden“ zu schmerzhaft ist, als dass man diese dauerhaft ertragen könnte.

Entsprechend ist es für diese Menschen eine ‚Lernaufgabe‘, überhaupt erst einmal wieder einen Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu erlangen. Das braucht Zeit und Raum, um die Frage für sich zu beantworten: „Was will eigentlich ICH? Was sind meine Bedürfnisse?“

Hat man das erst einmal geschafft, beginnt der noch schwierige Teil: In den etablierten Beziehungen auch für diese Bedürfnisse einzutreten!

Denn das eigene Umfeld mit Familie, Freunden und Kollegen hat sich vermutlich daran gewöhnt, dass ihm alles recht gemacht wird. Da kann es schnell zu Reaktionen kommen, wie „Was ist denn mit Dir los? Geht es Dir nicht gut? Du bist echt gerade ziemlich komisch…“ Denn plötzlich gilt es, Bedürfnisse zu verhandeln und ggf. auch zu ertragen, dass die andere Seite erst einmal überhaupt nicht positiv darauf reagiert – denn schließlich geht es für sie dabei auch um einen Verlust von „Privilegien“.

Deshalb ist es oft notwendig, als Teil des Lernens, auch eine neue Sprache zu entwickeln – die „Sprache der eigenen Bedürfnisse“. Und dazu gehört es auch „Nein sagen zu lernen“, und dem Gegenüber zu vermitteln, warum die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse relevanter und wichtiger ist, als diejenigen des jeweiliegen Gegenübers.

Das ist für die Betroffenen nicht einfach, da „People Pleasing“ im Kern auch eine Harmonie-orientierte Konfliktvermeidungsstrategie ist und sie es oft nie gelernt haben, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen und diese auch aktiv einzufordern – ohne, dass dies quasi automatisch zu einem Konflikt führt.

Aber es lohnt sich! Wem es gelingt, seine Bedürfnisse zu ergründen und ernst zu nehmen (und sich damit vielleicht zum ersten Mal selber wirklich ernst zu nehmen), eine Sprache für die Verhandlung dieser Bedürfnisse zu finden und mit Menschen auszuprobieren, die einem wirklich wohlgesonnen sind, wird im Ergebnis mit ziemlicher Sicherheit ein weniger stressvolles und zufriedeneres Leben finden.

Es lohnt sich also die „Kunst des Neinsagens“ zu erlernen, wenn man wirklich Beziehungen zu anderen Menschen auf Augenhöhe führen will.