Als Menschen sind wir soziale Wesen. Wir suchen nach Zugehörigkeit und wollen uns mit anderen verbunden fühlen. Dieses Bedürfnis nach Verbundenheit ist Teil unserer DNA und vor allem zu Beginn unseres Lebens sogar überlebenswichtig. Als Babies meinen wir, vollkommen verbunden zu sein mit der Welt, und bilden erst später ein Ego aus. Und in dem Maße, in dem wir realisieren, dass wir tatsächlich Individuen sind, beginnt auch unsere Suche nach Bedeutung bzw. Bedeutsamkeit. Wir wollen für unser soziales Umfeld eine Bedeutung haben. Wir wollen den uns nahe stehenden Menschen etwas bedeuten. Und nicht egal sein. Entsprechend ist Bedeutsamkeit für uns genauso wichtig wie das Gefühl von Zugehörigkeit.

Aber wie passen Bedeutsamkeit (mit seiner Verbindung zum Ego) und Zugehörigkeit (als soziale Dimension) nun genau zusammen? Und widersprechen sich die beiden nicht irgendwie?

Es gibt ein interessantes englisches Sprichwort, dass dazu motivieren soll, sich nicht gemein zu machen: „Why do we try so hard to fit in, if we are meant to stand out?“ Also mit anderen Worten: „Warum versuchen wir so unnachgiebig dazuzugehören, wenn wir doch dafür gemacht sind, einzigartig zu sein?“

Die Wahrheit ist, wir wollen und brauchen eigentlich beides. Aber es gibt ein paar interessante Wörter im bisher Geschriebenen, die es sich näher zu betrachten und zu differenzieren lohnt.

Da ist zunächst der Unterschied zwischen „Zugehörigkeit“ und „Sich-gemein-machen“. Als soziale Wesen wollen wir Teil einer Gemeinschaft sein und uns zugehörig fühlen – der Bezugspunkt kann dabei naturgemäß sehr unterschiedlich sein. Diesem Wunsch liegt ein archaisches Bedürfnis nach Verbundenheit und Schutz zugrunde. Demgegenüber ist ein Sich-gemein-machen für uns und unsere Psyche eher gefährlich. Es hat in der Regel etwas anbiederndes und führt dazu, dass wir uns als Individuen „auflösen“. Gesellschaften, in denen das Individuum keine Bedeutung hat und nichts zählt, haben deshalb oft einen hohen Grad an Depressionen und Suiziden.

Der nächste wichtige Unterschied ist der zwischen „Ego“ und „Bedeutsamkeit“. Zunächst müssen wir hier mal damit aufräumen, dass unser Ego grundsätzlich etwas Schlechtes ist. Im Gegenteil, eine gesunde Selbstbezogenheit und Wahrnehmung unserer selbst ist essentiell für unsere psychologische Gesundheit. Mehr noch, sie ist notwendig, um uns überhaupt selbst lieben zu können! Wir müssen wissen, dass wir „ok“ sind und auch selbst daran glauben. Viele psychologische Probleme, mit denen wir zeitlebens kämpfen, sind nämlich vor allem dadurch entstanden, dass uns jemand wiederholt gesagt hat, dass dies nicht so ist und uns damit das Gefühl vermittelt wurde, „nicht ok“ und/oder „nicht genug“ zu sein.

Insofern entsteht der Wunsch nach Bedeutsamkeit aus unserem Ego und stellt gleichzeitig die Brücke zu unserem Bedürfnis nach Zugehörigkeit da. Denn wir haben ein tiefes intrinsisches Verständnis davon, dass wir als Individuen einzigartig sind. Niemand ist exakt wie wir – nicht einmal bei Zwillingen. Das wissen und spüren wir, und wollen von unserer Umwelt auch entsprechend wahrgenommen werden. Wir wollen für die Menschen um uns herum relevant und wichtig sein. Wir wollen ihnen etwas bedeuten. Das ist ganz normal und kein unverhältnismässiger Wunsch. Im Gegenteil, in diesem Bewusstsein aktiv unsere Beziehungen zu anderen zu gestalten, liegt die Basis für die Entwicklung eines echten Gefühls von Zugehörigkeit.

Denn in unserem Bedürfnis nach Verbundenheit liegt auch eine Gefahr. Menschen, denen es an Selbstbewusstsein und Selbstliebe mangelt, versuchen oft, dieses Vakuum zu füllen, in dem sie über ein gesundes Maß hinaus für andere da sind – um sich deren Liebe und Zuneigung zu (ver)sichern. Sie „leben“ also unbewusst einen mit sich selbst (!) geschlossene Abmachung: „Ich bin für Dich da und opfere mich für Dich auf, und dafür liebst Du mich.“ – mit der impliziten Klammer („weil ich mich nicht selbst lieben kann“). Das ist unglaublich ungesund und gefährlich, und geht oft mit großen Enttäuschungen einher, wenn die andere Person dieses „Geschenk“ nicht annehmen möchte und sich entzieht, oder nicht der damit verbunden Erwartungshaltung entsprechend verhält. Und das führt dann wieder dazu, dass sich die andere Person oft als Opfer fühlt. Man sieht, eine sehr komplexe, toxische Verkettung, die hier entsteht …

Entsprechend ist der Wunsch und die Suche nach Bedeutsamkeit und damit verbunden die Frage nach dem „Wer bin ich?“ – und nicht „Wer möchte ich für andere sein“ – unglaublich wichtig für unsere psychologische Gesundheit und gleichzeitig unsere Fähigkeit sich wirklich mit anderen zu verbinden.

Und warum sind Bedeutsamkeit und Zugehörigkeit am Ende auch wichtig für die Ausbildung von Resilienz?

Bedeutsamkeit und Zugehörigkeit verhalten sich in Bezug auf die Ausbildung von Resilienz wie zwei Seiten ein und der selben Medaille – und entsprechen quasi dem Geben und Nehmen können.

Jemand etwas zu bedeuten verleiht dabei vor allem die Fähigkeit, dieser Person in einer Krise beistehen zu können, weil man sich in diesen Momenten vor allem denjenigen zuwendet, denen man am meisten vertraut und von denen man glaubt, dass sie einem vielleicht helfen können. Das ist die Seite des Gebens.

Auf der anderen Seite sind stabile Bindungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit essentiell für unsere Resilienzfähigkeit. Wenn wir niemand haben, der uns unterstützt, fühlen wir uns klein und allein. Das führt dann oft dazu, dass wir noch tiefer in eine Krise hineingezogen werden (von uns selbst), statt ihr – mit der Hilfe anderer – aktiv zu begegnen. Das ist die Ebene des Nehmens – denn wir müssen diese Hilfe ja auch zulassen und annehmen können.