Oft haben wir das Gefühl, dass jemand der erfolgreich ist, einfach nur Glück gehabt hat. Und manchmal geht es uns genauso mit uns selbst. Im schlimmsten Fall kratzt das ganz schön am Ego, da wir als Teil unserer Moralvorstellungen ja gelernt haben, dass sich „harte Arbeit“ auszahlen soll, nicht aber Glück. Das empfinden wir eher als unfair.

Ist ein glücklicher Zufall also ungerecht oder gar unmoralisch? Oder beruht er am Ende immer auch darauf, dass wir ihn zugelassen und uns auf ihn eingelassen haben? Oder, dass wir ihn gar eingeladen haben? Oder können wir das Glück gar in unser Leben einladen und damit unseren Erfolg bzw. unser Wohlbefinden selbst beeinflussen?

Im Englischen gibt es dafür ein interessantes Wort, das es im Deutschen so nicht gibt: Serendipity, was so viel bedeutet wie glücklicher Zufall.

Die Natur eines Zufalls ist es dabei natürlich, dass er sich nicht planen lässt. Und ein glücklicher Zufall ist dann eben einer, der zufällig glücklich ausgegangen ist oder uns das Glück gebracht hat. Das stimmt aber nur zum Teil, und hier wird es interessant. Denn die Wahrheit ist: Es kommt immer darauf an, was man aus den Dingen, auf die man keinen direkten Einfluss zu haben scheint, macht. Wir alle kennen die Beispiele von Menschen, wie dem Erfinder der Post-Its, der einen zu wenig haftenden Kleber erfunden hatte, und anstatt sich zu ärgern und einen neuen Versuch zu starten, daraus die Haftnotizen erfunden hat. Oder die Menschen, die von ihrem Partner verlassen oder von ihrem Arbeitgeber gekündigt wurden, und ein komplett neues Leben begonnen haben. Was diese Beispiele gemein haben ist, dass die Betroffenen etwas gesehen haben, was niemand anderes gesehen hat. Sie haben die Chance für etwas Neues gesehen, das es so noch nicht gab. Und sie haben sich drauf eingelassen.

Wie kann man also die Voraussetzungen dafür schaffen, um mehr Serendipität bzw. mehr glückliche Zufälle in das eigene Leben einzuladen?

Dafür gibt es eine Reihe von Erfolgsfaktoren, die wir verinnerlichen und auch trainieren können:

  1. Offen für das Unerwartete sein
    Serendipität ist mehr als der pure Zufall oder reines Glück. Ein glücklicher Zufall setzt voraus, dass wir uns aktiv für das Unerwartete oder auch Ungewöhnliche öffnen, und den Wert von Zufallsmomenten erkennen. Entsprechend sollten wir in unserem Alltag mit wachsamen Blick nach positiven ungewöhnlichen Ereignissen Ausschau halten. Auf diese Weise kommt das Unerwartete zwar nicht häufiger vor, aber wir beginnen, es tatsächlich zu sehen und wahrzunehmen – und verpassen so vielleicht nicht den alles entscheidenden Moment.
  2. Flexibel im Denken und Handeln bleiben
    Feste Pläne und ein starrer Blick auf die Welt sind ebenfalls nicht hilfreich, wenn man glückliche Zufälle einladen will. Denn wir können die Zukunft weder vorhersagen, noch kontrollieren. Alles verändert sich ständig, und nicht umsonst heisst es: „Life’s what happens while we are making plans.“ oder „Go with the flow.“ Entsprechend macht es viel mehr Sinn statt in starren Mustern in verschiedenen Optionen, Wegen und Lösungen zu denken und sich so Möglichkeitsräume zu eröffnen, die Neues erlauben und begünstigen.
  3. Optimismus als Grundhaltung üben

    Menschen, die empfänglich für glückliche Zufälle sind, zeichnet eine gemeinsame Haltung aus: Sie sind grundsätzliche Optimisten und versuchen selbst unter widrigen Umständen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Sie betrachten sich nicht als Opfer, sondern als ihres eigenen Glückes Schmied. Sie sind in der Lage positive Chancen zu erkennen und darauf zu reagieren. Und das kann man lernen. Es fängt damit an, dass wir schwierige oder herausfordernde Situationen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit zum Lernen und für das Entstehen von etwas Neuem betrachten. Denn die Erfahrung zeigt: Wenn wir uns darauf konzentrieren, wie wir die Dinge zum Guten wenden können, dann wenden sie sich auch tatsächlich häufiger zum Guten – und umgekehrt.

  4. Den eigenen Horizont erweitern
    Die vermutlich wichtigste Weg, um glückliche Zufälle zu nutzen ist es, die richtigen Fragen zu stellen. Und das bedeutet, sie möglichst offen zu stellen. Denn je enger man eine Frage stellt, umso mehr schränkt man das Feld der möglichen Antworten ein und macht neue und kreative Lösungen weniger wahrscheinlich. Wenn zum Beispiel ein Monteur seinen Job verliert und sich fragt „Wie bekomme ich einen neuen Job als Monteur?“ werden andere Antworten entstehen, als wenn er sich fragt „Was möchte ich mit dem Rest meines Lebens machen? Womit möchte ich ausreichend Geld verdienen, um ein auskömmliches Leben führen zu können?“
  5. Sinnhaftigkeit verspüren

    Die Erweiterung des Horizonts sollte eng mit der Frage nach Sinnhaftigkeit verbunden sein. Denn Serendipität entsteht leichter, wenn wir in dem, was wir tun, einen Sinn sehen. Mehr noch: Wenn wir das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun und anderen etwas zu geben, macht uns das nachweislich glücklicher, gesünder und produktiver.

  6. Dankbarkeit leben
    Darüber hinaus hilft es, sich das Positive jeder Situation bewusst zu machen und dafür dankbar zu sein – auch und besonders in Bezug auf herausfordernde Situationen. Dies lässt sich am besten über Rituale machen und trainieren – zum Beispiel sich als letzten Akt des Tages im Bett für die positiven Erlebnisse und Lernchancen des jeweiligen Tages zu bedanken. Oder ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Oder sich jeden Tag direkt bei einer Person für etwas Positives im eigenen Leben, und ihren Beitrag dazu, zu bedanken.

  7. Bewusstheit schaffen und vertrauen
    Um die Kraft des glücklichen Zufalls zu verstehen, ist es ebenfalls sinnvoll, den eigenen Werdegang noch einmal genau im Rückspiegel zu betrachten. Denn wir neigen dazu, unseren eigenen Werdegang im Nachhinein als zwangsläufige Entwicklung zu begreifen – wo alles logisch aufeinander aufbaut. Auch ich könnte meinen Lebenslauf genauso erzählen. Die Wahrheit ist aber, dass ich diese eine wichtige Stelle in London niemals angetreten hätte, wenn ich nicht an einem ganz bestimmten Tag die FAZ gekauft hätte und ausgerechnet an diesem Tag darin die einzige Stellenanzeige, die das Unternehmen jemals geschaltet hat, zu finden gewesen wäre. Denn ich kannte das Unternehmen bis dahin überhaupt nicht. Es war also ein glücklicher Zufall. Entsprechend ist die Rekonstruktion der Vergangenheit wichtig, um der Existenz von Serendipidät Vertrauen schenken zu können. Wenn wir also unser Leben Revue passieren lassen, werden wir feststellen, wie oft der glückliche Zufall unser Leben schon in der Vergangenheit beeinflusst und geprägt hat – und wir waren uns dieser Tatsache vielleicht gar nicht bewusst.

All diese Erfolgsfaktoren machen deutlich, dass man Serendpidät wenn nicht lernen, dann zumindest einladen kann – und, dass das vor allem eine Frage der Haltung ist. Je weiter man dem glücklichen Zufall die Tür aufmacht und ihn einlädt, um so eher wir er sich manifestieren und unser Leben zum positiven verändern helfen.