Wie lassen sich eigentlich am besten die eigenen Muster im Umgang mit Störungen und Problemen verstehen? Und wie kann man einen besseren Umgang damit begünstigen bzw. beschleunigen?

Dafür ist es zunächst einmal wichtig zu verstehen und zu erfühlen, was in diesen Momenten eigentlich passiert, um typische Muster zu erkennen. Dazu sollte man das wahrgenommene Problem zunächst „dekonstruieren“, um es in all seinen Dimensionen durchdringen zu können. Um das zu tun bieten sich zwei Möglichkeiten an: Entweder machst Du das allein – idealerweise mit der Möglichkeit die Antworten auf die folgenden Fragen aufzuschreiben, auf diese Weise festzuhalten und damit zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal lesen zu können – oder indem Du Dir eine Vertrauensperson als „Interviewer“ bzw. „Coach“ engagierst. Auf dieser Basis lässt sich dann die nachfolgende Übung durchführen.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Du, wenn ein Problem oder Symptom auftritt, dieses nicht einfach nur erlebst. Stattdessen beginnst Du eigentlich unmittelbar eine Beziehung sowohl zu diesem Erleben als auch zu Dir selbst aufzubauen, während Du das Problem erlebst. Und das hat wiederum eine Wirkung darauf, wie sich dieses Erleben fortsetzt und was daraus im Ergebnis geschieht.

Die nachfolgende Übung bezieht sich auf die Variante der Selbstreflexion, weil Du diese allein mit Dir selbst umsetzen kannst – was aber natürlich den Nachteil hat, dass man immer der Gefahr der Befangenheit unterliegt, wenn man sich selber „interviewt“, anstatt einen unabhängigen „Coach“ zu nutzen:

  1. Schreibe im ersten Schritt auf, wie Du die spezifische Problemsituation erlebst und wahrnimmst. Dazu solltest Du folgende Fragen beantworten:

      – Was genau passiert in dieser Situation? Was und wie erlebst Du sie?
      – Wie verhält Du Dich? Wie verhalten sich ggf. andere?
      – Was denkst Du in diesem Moment?
      – Was fühlst Du? Und, wie bewertest Du Deine Emotionen für Dich selbst?
      – Gibt es einen typischen Ort oder Zeitpunkt für das Auftreten?
      – Wie häufig tritt die Situation auf und von welcher Dauer ist sie?
      – Wie intensiv bzw. „groß“ ist das Erleben? Welche Nähe oder Distanz hast Du dazu?
      – Wie erklärst Du Dir, was da passiert?
      – Wie bewertest Du, was passiert?
      – Was würdest Du erwarten, oder Dir wünschen, wie Du mit dieser Situation umgehst? Was erwarten ggf. andere von Dir?
      – Was sagst Du? Was sagen andere?
      – Wie sitzt/stehst Du? Was ist Deine Mimik/Gestik? Kann man Dir ansehen, was Du denkst und/oder fühlst? 
      – Wie fühlt sich das Erleben körperlich an? Steigt Dein Blutdruck oder Puls? Wie ist Deine Atmung?
      – Welche inneren Dialoge, Bilder oder Filme treten auf?
      – Welche Arten von Lösungsversuchen hast Du bereits unternommen?

  2. Wichtig ist es nun für Dich selbst zu würdigen, dass Dein Verhalten, Deine Gefühle, etc. alle dazu dienen, bestmöglich mit dem Problem umzugehen, Dir das aber vielleicht trotzdem bisher nicht vollumfänglich gelungen ist. Deshalb solltest Du auch die nachfolgenden Fragen für Dich beantworten und aufschreiben:

      – Wie findest Du es, wenn das Problem wiederholt auftritt?
      – Wie gehst Du mit Dir um?
      – Wie bewertest Du Dich?
      – Wie redest Du dann innerlich mit Dir?
      – Und wie wirkt sich genau dies wieder auf Dein Erleben der Situation aus?

    Wenn Du dabei feststellst, dass dieser Umgang mit Dir selbst eher belastende oder verschlimmernde Auswirkungen hat, solltest Du Dich dafür nicht kritisieren oder abwerten. Schließlich handelt es sich um anerkennenswerte Lösungsversuche, die in ihrer Absicht sicher sehr gut gemeint waren, aber in der Auswirkung leider eine nicht erwünschte Wirkung nach sich gezogen haben. Entsprechend würde es sich daher lohnen zu überlegen, ob es nicht günstigere Lösungsversuche – auch im Umgang mit Dir selbst – geben könnte. Und vielleicht gibt es dafür ja bereits einige Ansätze …

  3. Im nächsten Schritt solltest Du Dich daher daran erinnern, ob es in der Vergangenheit bereits Situationen gab, in denen es Dir gelungen ist, mit einem vergleichbaren Problem besser oder zumindest anders umzugehen. Auch diese Situation solltest Du noch mal dekonstruieren, um herauszufinden, was anders war und wie dies zu einem anderen Ergebnis geführt hat:

      – Was genau war in dieser Situation anders? Was und wie hat sich Dein Erleben unterschieden?
      – Hast Du Dich anders verhalten? Haben sich ggf. andere anders verhalten?
      – Hast Du in diesem Moment etwas anderes gedacht?
      – Hast Du etwas anderes gefühlt? Hast Du Deine Emotionen anders für Dich selbst bewertet?
      – Hat das Erleben an einem anderen Ort oder zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden?
      – War die Intensität des Erlebens dadurch anders? Welche Nähe oder Distanz hattest Du dazu?
      – Wie erklärst Du Dir, warum es ein anderes/besseres Ergebnis gab?
      – Wie bewertest Du, was passiert ist?
      – War es das, was Dir wünschen würdest, wie Du mit dieser Situation umgehst? Haben andere etwas anderes erwartet?
      – Hast Du etwas anderes gesagt? Haben andere etwas anderes gesagt?
      – Hast Du anders gesessen/gestanden? Wie war Deine Mimik/Gestik? 
      – Wie fühlte sich das Erleben körperlich an? Wie war Dein Blutdruck oder Puls? Wie Deine Atmung?
      – Traten andere innere Dialoge, Bilder oder Filme auf?

  4. Da nun aber nicht zu erwarten ist, dass sich dieser andere Umgang mit einer problembehafteten Situation beim nächsten Auftreten bereits vollumfänglich umsetzen bzw. wiederholen lässt – wir wissen ja, die Amygdala ist sehr schnell und exzellent darin, uns in Nullkommanix in eine verhindernde Selbsthypnose zu versetzen – macht es Sinn, auch darüber nachzudenken, wie Du in diesem (erwartbaren) Fall zumindest mit Dir selbst anders umgehen willst:
      – Was könnte ein hilfreicherer Umgang mit Dir selbst sein, wenn Du das Problem-Erleben für Dich feststellst?
      – Gab es bereits Fälle, in denen Du bereits empathischer, mitfühlender und/oder unterstützender mit Dir umgegangen bist?
      – Was für eine Wirkung hatte das auf Dein Erleben?
      – Wie würdest Du mit einem guten Freund(in) umgehen, wenn es dieser Person genau so gehen würde wie Dir,
         wenn Du das Problem erlebst?
      – Wie würde es sich auf Dein Erleben auswirken, wenn Du auf eine solche hilfreichere, verständnisvollere und
         unterstützendere Art mit Dir umgehen würdest?

Durch die Unterschiedsbildung lassen sich in der Folge relativ leicht Hypothesen und Lösungsansätze für einen anderen, besseren Umgang mit belastenden Situationen entwickeln, die sonst zu erheblichem Stress oder sogar Ängsten geführt haben. Wie in Punkt vier bereits angedeutet ist es dabei wichtig, zwei Arten von Selbstabwertungen zu vermeiden:

  • Dafür, dass Du nicht schon eher auf die Lösung gekommen bist, wo sie doch auf der Hand zu liegen schien und jetzt so einfach erscheint
  • Dafür, dass Dir die Umsetzung nicht gleich im nächsten Versuch gelingt

Denn wäre ein anderer Umgang mit belastenden Situationen ganz einfach umsetzbar gewesen, hättest Du es ja schon längst gemacht …!